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  • THOMAS GAUL | FACHJOURNALIST FÜR BIOENERGIE | AGRARWIRTSCHAFT
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Biogasanlagen und ihre Betreiber fit für den Energiemarkt machen

Wie lassen sich Biogasanlagen fit machen für die Zukunft? Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Seminars mit dem Titel „BioFit“, das kürzlich vom Bundesverband Bioenergie (BBE) und dem Fachverband Biogas gemeinsam in Hannover veranstaltet wurde. Mit 56 Teilnehmern war der Tagungssaal im hannoverschen Landvolkhaus bis auf den letzten Platz besetzt. Das zeigt, wie groß das Interesse der Anlagenbetreiber an dem für sie wichtigen Zukunftsthema ist.

Die Ausgangssituation skizzierte Bernd Geisen, Geschäftsführer des BBE: Rund 8 000 Biogasanlagen gibt es derzeit in Deutschland, die überwiegend durch Landwirte betrieben werden. Gemäß den Förderbedingungen des EEG, stand bisher die maximale Strom- und Wärmeproduktion im Vordergrund. Die privilegierte Einspeisung ins Stromnetz gab keinen Anlass, sich mit der Vermarktung seiner Produkte in der Energiewirtschaft zu befassen. Doch seit dem EEG 2012 gab es einen Paradigmenwechsel. Seither wird die Rolle der Bioenergie in einer zunehmend aus erneuerbaren Quellen basierenden Energieversorgung neu definiert.

Bioenergie und hier insbesondere Biogas ist speicherbar, kann bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden und hat somit ein Alleinstellungsmerkmal unter den Erneuerbaren Energien. Bei weiter wachsenden Anteilen der fluktuierenden erneuerbaren Stromerzeugung aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen wird die Rolle von landwirtschaftlichen Biogasanlagen zukünftig vor allem darin bestehen, die fluktuierende Einspeisung erneuerbarer Energien auszugleichen. Dieser Strom sollte vorrangig in Kopplung mit der Wärmeerzeugung und damit verbrauchernah erzeugt werden und Netzsicherheit, Regelenergie, Bedarfsgerechtigkeit und auch gesicherte Kapazität liefern. Übergeordnetes Ziel ist somit die Integration von (landwirtschaftlichen) Biogasanlagen in die Energiewirtschaft: die Anlagen sollen durch einen Systemwechsel dazu ertüchtigt werden, zukünftig als speicherbare und flexible Energie bedarfsgerecht gesteuert werden zu können. Zudem soll die Direktvermarktung von Strom und Wärme forciert werden. Neben der Förderung des EEG bietet sich für landwirtschaftliche Biogasanlagen zukünftig das Angebot von Regelenergie (positive und negative Regelenergie, Sekundärregelleistung, Minutenreserveleistung) und energiewirtschaftlichen Systemdienstleistungen (Verlustenergie, Blindleistung, Schwarzstartfähigkeit, Redispatch, Countertrading) als Chance und neues Betätigungsfeld an. Landwirtschaftliche Biogasanlagenbetreiber haben gegenwärtig jedoch noch kein umfassendes Know-how und vor allem keine Praxiserfahrung über diese energiewirtschaftlichen Herausforderungen und Marktmechanismen. „Es gilt daher, Biogasanlagen und deren Betreiber fit für den Energiemarkt zu machen!“, verdeutlichte Geisen.

Daran knüpfte Silke Weiberg an, Regionalreferentin Nord des Fachverbandes Biogas: „Wie können wir Perspektiven für Biogasanlagen und Biomasseanlagen schaffen?“ Dabei richten sich die Bemühungen auf politischer Ebene auf das EEG 2016. Weiberg verlangte ein politisches Bekenntnis zur Bioenergie mit drei Zielen: 1. Ein Zubauziel von mindestens 100 MW pro Jahr, 2. Jede effiziente Biogasanlage, die die Bedingungen des EEG 2016 erfüllt, darf weiterbetrieben werden (Ertüchtigungsziel) und 3. Die Stromerzeugung aus Biomasse muss zumindest auf dem heutigen Niveau bestehen bleiben (Stabilisierungsziel). Die Güllevergärung sollte ausgeweitet und damit weitere Treibhausgas-Emissionen eingespart werden. Die Finanzierungsbedingungen für Neuanlagen sollten über Ausschreibungen verbessert werden. In der EEG-Novelle 2016 sollten auch Anschlussregelungen für Bestandsanlagen über Ausschreibungen gesichert werden. Dies diene als Ausgleich für Anlagen, die aus dem EEG laufen. „Es geht darum, eine Perspektive für diese Anlagen aufzuzeigen“, begründete Silke Weiberg das Plädoyer des Fachverbandes für Ausschreibungen. „Wir sehen zwar auch die Nachteile von Ausschreibungen, aber es gibt keinen anderen Weg, den Gesetzgebungsprozess mitzugestalten.

Mit der Direktvermarktung des Stroms gibt es Anreize für Anlagenbetreiber, ihre Anlagen bedarfsgerecht zu fahren. „Warum sollten wir Biogas-Strom dann einspeisen, wenn er am Markt nichts bringt?“, fragte Uwe Welteke-Fabricius von CUBE Engineering. Bei einer weiteren Flexibilisierung könnten aus den 3,5 GW Dauerlast der Biogasanlagen eine Spitzenlast von 10 – 15 GW werden. Mit der Investition in ein neues BHKW, um zusätzlich Spitzenlast bereitzustellen, sei es allerdings nicht getan, betonte Welteke-Fabricius: Bei einem zusätzlichen BHKW müssen auch Trafo und Netzanschluss erneuert werden. Auch ein größerer Biogasspeicher wird erforderlich, wodurch die Anlage dann unter die Störfall-Verordnung fällt. Neben der Gasstrecke muss auch die Wärmeeinbindung inklusive Wärmepufferspeicher überdacht werden. Neue Chancen sieht Welteke-Fabricius in der saisonalen Flexibilisierung nach Wärmebedarf. Auch das Fütterungsmanagement kann angepasst werden, sodass der BHKW-Motor im Winter länger läuft als im Sommer. Welteke-Fabricius ist überzeugt, dass sich die Flexibilisierung in den meisten Fällen lohnt. Er rechnete als Beispiel eine Bestandsanlage mit 716 kW vor, die eine Leistung von 2 700 kW zubaut. Für den Ausbau auf 3 400 kW ließe sich die Flexprämie des EEG 2012/2014 in Anspruch nehmen. Über den Zeitraum von zehn Jahren würden so jährlich 220 000 Euro fließen, also ein Zuschuss von über 2 Mio. Euro. Hinzu kämen Mitnahmeeffekte durch ein effizienteres, weil neues BHKW. Flex-BHKW alterten durch die geringere Zahl an Betriebsstunden auch langsamer. Mit der von CUBE Engineering durchgeführten Flex-Analyse lassen sich die Konfiguration der Anlage berechnen und damit die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens prüfen.

Der flexible Betrieb verschlechtert andererseits die Gasqualität, hat Eric Mauky vom Deutschen Biomasse-Forschungszentrum (DBFZ) festgestellt. Durch die Vermischung im Gasspeicher lasse sich aber eine gleichbleibende Gasqualität erreichen. Mauky stellte Versuche vor, in denen durch ein Fütterungsmanagement der Gasspeicherbedarf reduziert werden kann. Allerdings setzt die Wärmeabnahme der Flexibilisierung der Anlage auch Grenzen. „Für maximale Zusatzerlöse ist eine individuelle Bewirtschaftungsstrategie auf Basis technischer und betrieblicher Restriktionen vonnöten“, ergänzte Marcel Kraft, Poolmanager Virtuelles Kraftwerk beim Direktvermarkter Clean Energy Sourcing AG (Clens). Eine Modellierungs- und Optimierungssoftware des Direktvermarkters berücksichtige alle relevanten Parameter wie Gasspeicher und Wärmerestriktionen der Anlage. Alternativ zur prozentualen Aufteilung der Zusatzerlöse aus Regelenergie und Fahrplanbetrieb bietet Clens mit der „Optionsprämie“ einen jährlichen Fixbetrag.  Die Höhe der Prämie hängt von der durch Clens nutzbaren Flexibilität und damit wesentlich vom Gasspeichervolumen ab. „Nur die Managementprämie ist zu wenig“, meinte auch Christian Rohde, Geschäftsführer des genossenschaftlichen Direktvermarkters GeLa Energie GmbH. Die Anlagen sind durch die vorhandene Fernsteuerbarkeit in der Lage, so schnell wie möglich am Markt für Regelenergie teilzunehmen.

Abgerundet wurde das BioFit-Seminar durch Erfahrungsberichte von Biogasanlagen-Betreibern zur Direktvermarktung, bedarfsgerechten Stromproduktion und Regelenergie. Manfred Ebeling, der im Wendland einen Biolandhof mit Biogasanlage betreibt, sieht die vorgezogene Investition in ein neues BHKW als unternehmerisch richtige Entscheidung. Denn durch die Verbesserung des Wirkungsgrades beim Gasmotor von 2G auf 42 Prozent spart er 536 t Maissilage im Jahr ein. „In diesem Jahr habe ich 2 000 t weniger Mais gekauft“, berichtete er in Hannover. Ebeling machte aber auch auf ein Hindernis aufmerksam: Bei einem Wechsel des Direktvermarkters lässt sich die Präqualifikation für das BHKW nicht einfach „mitnehmen“, da der sogenannte Schwarmtest auf den Anlagenpool des bisherigen Vermarkters zugeschnitten ist.

Bernhard Temmen, der für die Raiffeisen-Warengenossenschaft Emsland-Süd eG sieben Biogasanlagen betreut, beklagte vor allem das niedrige Preisniveau beim Bereitstellen negativer Regelenergie: So fiel der Leistungspreis für eine MWh von 2 000 Euro im Jahr 2012 auf rund 300 Euro in 2015. Auch wird die negative Leistung nur noch zwischen 20 und 30 Stunden im Jahr aufgerufen. In ersten Planungen 2012 ging man noch von über 100 Stunden im Jahr aus. Gar nicht ausgezahlt hat sich Temmen zufolge die Investition von 50 000 Euro in ein elektrisches Heizsystem, um überschüssigen Strom in Wärme umzuwandeln. „Das rentiert sich frühestens in zehn Jahren“, sagte Temmen. Das liegt möglicherweise auch an dem zu kleinen Speicherbehälter. Mehrerlöse in der Zukunft verspricht sich Temmen durch die Teilnahme am Intraday-Handel.

THOMAS GAUL

Erschienen in der LAND & Forst Nr. 48 am 27.11.2015