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  • THOMAS GAUL | FACHJOURNALIST FÜR BIOENERGIE | AGRARWIRTSCHAFT
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Intelligente Technik für den Acker

Trotz eher gedämpfter Zukunftsaussichten ist die Innovationskraft der Hersteller von Landtechnik ungebrochen. So viel lässt sich nach den Neuheitenanmeldungen für die diesjährige Agritechnica schon sagen. Die weltgrößte Landtechnik-Ausstellung öffnet am 10. November in Hannover ihre Tore. Vorgeschaltet sind zwei Tage für Fachbesucher. Angemeldet sind über 2 700 Aussteller aus 52 Ländern.

Die Agritechnica gilt als wichtigstes Forum, um neue Maschinen und Geräte für die Landwirtschaft vorzustellen. Über 300 Neuheiten haben die Aussteller beim Veranstalter, der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) angemeldet. Eine Expertenkommission hat die angemeldeten Neuheiten bewertet und Gold- und Silbermedaillen verliehen, die auf der Messe in feierlichem Rahmen vergeben werden.

Landtechnik wird immer mehr als „Problemlöser“ gesehen, die wachsenden Aufgaben der Landwirtschaft zu meistern. Denn längst geht es nicht mehr nur darum, auf dem Acker mehr zu produzieren. Angesichts einer abnehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz ist auch die Landtechnik gefragt, mit Lösungen für eine Umwelt und Ressourcen schonende Landbewirtschaftung beizutragen. Im Fokus stehen dabei technische Lösungen, wie Landwirte noch präziser und effizienter arbeiten können. Bei den Produktneuheiten dominieren daher Entwicklungen in Elektronik und Sensorik.

„Produktionsgrundlage“ für den Pflanzenbau ist der Ackerboden. Der Landwirt muss diesen Faktor genau kennen, um mit dem Wissen um Bodengüte, Nährstoffversorgung, Wasserverfügbarkeit und Ertragsfähigkeit einen Pflanzenbestand auf seinem Acker zu etablieren. „Smart Farming“ heißt das Stichwort, um diese Daten mit den Informationen zu verknüpfen, die von den Landmaschinen geliefert werden. Der Ertrag bei der Getreideernte wird im Mähdrescher erfasst und kann quadratmetergenau zugeordnet werden. Bereits während des Wachstums der Getreidepflanzen wurde von einem Sensor auf dem Schlepperdach die Nährstoffversorgung der Getreidepflanzen anhand der Blattfarbe ermittelt und der Düngerstreuer entsprechend eingestellt. Nach dem Sammeln gilt es, die Daten zu strukturieren, auszuwerten und interpretieren. Damit die Daten nicht brachliegen wie ein unbestelltes Feld, sollen die Landwirte die Daten in eine „Cloud“ auslagern. Spezialisierte Dienstleister übernehmen diese Aufgabe, wobei die Landwirte Fragen zur Sicherheit ihrer Daten haben dürften. Diskutiert werden können diese Fragen in einem eigenen Special in Halle 15, wo die wichtigen Anbieter aus diesem Bereich an einem Stand versammelt sind. Auf diesem Special wird auch ein Sikorsky-Hubschrauber zu bestaunen sein. Er wurde in den letzten Monaten von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zur Bodenkartierung eingesetzt. Das funktioniert in diesem Fall durch die Messung der natürlichen Radioaktivität an der Bodenoberfläche mit einem Gammastrahlenspektrometer. Aus der Fülle der Daten gilt es für den Landwirt, digitale Lösungsansätze zu entwickeln, um seinen Betrieb weiter zu optimieren. „Die digitale Wende in der Landwirtschaft wird das zentrale Thema sein“, blickt Cristoph Götz vom Verband des Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA) auf die kommende Messewoche voraus. Die Digitalisierung und Vernetzung lässt manche bereits von einem „Bauernhof 4.0“ sprechen.

Auffallend ist, dass die meisten Neuheiten, die mit einer Gold- oder Silbermedaille bedacht wurden, dem Bereich Elektronik zuzuordnen sind. Beispielhaft sind Assistenzsysteme zur Entlastung des Traktorfahrers. Das Vorgewende-Managementsystem von John Deere wurde mit einer Silbermedaille bedacht. Das System soll erstmals in der Lage sein, die wiederkehrenden Bewegungsabläufe des Fahrers am Feldende (dem sogenannten Vorgewende) automatisch zu lernen und im Bordcomputer abzuspeichern. Die gespeicherten Maschinenoperationen laufen dann automatisch auf dem Feld ab. Bei steigenden Kosten für Saatgut und Mineraldünger wachsen die Anforderungen an eine exakte Verteilung. Elektronische Steuer- und Regeleinrichtungen werden zunehmend unterstützt durch intelligente Software. Neuentwicklungen helfen dabei, dass keine Fläche doppelt gesät wird oder andererseits Fehlstellen entstehen. Ein Sensor detektiert den Förderbeginn des Saatgutes direkt am Schar, die Steuerung der Maschine berechnet daraus automatisch den Start und Stopp der Dosierung. Bei einer weiteren Innovation stellt sich die Dosiereinheit selbstständig ein. Wurde bislang die Menge des ausgebrachten Saatgutes nach dem Gewicht eingestellt, erfolgt nun eine automatische Saatmengenkalibrierung. Der Bediener muss nun nur Parameter wie Aussaatmenge, Kornzahl je Quadratmeter und die Tausendkornmasse des Saatgutes sowie die gewünschte Fahrgeschwindigkeit eingeben. Die Dosierung beginnt zu arbeiten und die Aussaat kann beginnen.

Ein weiteres Beispiel für die Verknüpfung von Daten, Wissen und intelligenter Maschinentechnologie kommt aus dem Bereich Düngetechnik. Hier werden die gesetzlichen Auflagen für die Landwirte durch die neue Düngeverordnung künftig schärfer. Ein neues System macht es möglich, Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphat in Teilbereichen des Feldes exakt auszubringen und zu dokumentieren, und zwar unabhängig davon, ob die Nährstoffe in mineralischer oder organischer Form vorliegen.

Ein intelligentes Sensor-Düsen-System soll die Aufwandmengen im Pflanzenschutz reduzieren helfen. Der Hersteller verspricht Einsparungen von 20 bis 80 Prozent. Infrarot-Sensoren können grüne Pflanzen vom Boden unterscheiden, sodass die Pflanze punktgenau behandelt werden kann. Das soll sowohl bei Tag und Nacht und bei Geschwindigkeiten bis 20 km/h funktionieren.

Die Hersteller von Großmaschinen der Erntetechnik und von Traktoren haben nach den vorangegangenen Jahren des Booms mit einer Nachfrageschwäche zu tun. Mit Blick auf die verschärfte Abgasgesetzgebung haben die Landwirte im vergangenen Jahr Investitionen vorgezogen. Für Aufsehen dürfte in Hannover sorgen, dass erstmals ein Standardtraktor die Marke von 500 PS erreicht. Das war bislang Knicklenkern und Raupenfahrzeugen vorbehalten, die aber auf der Straße schwieriger zu bewegen sind. Der neue 369-kW-Großschlepper von Fendt hat trotz groß dimensionierter Reifen eine straßentaugliche Außenbreite von 2,95 m.

THOMAS GAUL

Erschienen in VDI-Nachrichten am 06.11.2015